Esoterisches Gärtnern

Ich bin ja leidenschaftlicher Hobbygärtner. Ja, das mag sich jetzt altmodisch oder spießerhaft anhören, aber ich mag das Buddeln in der Erde, um dann zu beobachten, wie alles wächst und sprießt und gedeiht. Ich habe mich auch daran gewöhnt, dass es genauso viele „Gartenexperten“ gibt, wie potentielle Bundestrainer in Deutschland. Trotzdem lese ich ja verschiedene Gartenblogs und Gärtnerspalten in verschiedenen Zeitungen.

Öfters schaue ich mal bei „Jupps Gartentipps“ auf http://www.infranken.de vorbei und größtenteils hat der dortige Gartenexperte tatsächlich immer mal wieder einen guten Tipp. Oft ist es aber auch so, dass in dieser Kolumne recht hanebüchene Meinungen vertreten werden. Dass Herr Jupp in der Vergangenheit gerne auch mal über Energielinien in seinem Garten oder Geomantie erzählt hat, habe ich mit einer hochgezogenen Augenbraue zur Kenntnis genommen, aber nachdem er jetzt gleich zwei in meinen Augen „diskussionswürdige“ Artikel rausgehauen hat, möchte ich mir hier diese beiden Artikel gerne mal näher anschauen.

Herr Jupp bleibt von meiner Meinung natürlich auch verschont, denn es gibt mittlerweile ja glücklicherweise keine Kommentarmöglichkeit unter seinen Artikeln mehr.

Artikel Nr. 1, den wir uns mal anschauen wollen, wurde am 18. April 2016 veröffentlicht und trägt den Titel „Der Mond beeinflusst das Wachstum der Pflanzen“. Schon allein durch den Titel bekam ich ein geschwollenes Skrotum. Aber ich war tapfer und habe weitergelesen.

In dem Artikel heißt es unter anderem: Das Wissen beruht wesentlich darauf, dass die Pflanzen bei abnehmendem Mond einatmen und Energie in Form von Säften in den unteren Pflanzenteilen speichern. Bei zunehmenden Mond steigen die Säfte dann wieder in die oberen Pflanzenteile auf, und die Pflanzen fangen an, Blüten und Früchte auszubilden.

Okeeee… sag ich da mal. Natürlich, der Mond beeinflusst ja auch die Gezeiten, dann muss er ja auch die „Säfte“ in den Pflanzen beeinflussen, ist ja auch Flüssigkeit. Aber müsste dann nicht auch der Mensch, der ja zum größten Teil aus Flüssigkeit besteht, nicht einmal im Monat einen Wasserkopf bekommen und die restliche Zeit mit Elefantenfüßen rumlaufen? Hm, sollte man mal drüber nachdenken.

Die gewagteste Aussage ist aber: Bei Versuchen mit Gärtnern nach dem Mond wurde bei Radieschen eine Ertragssteigerung von etwa 30 Prozent festgestellt. Der Einfluss unseres Erdtrabanten ist also unbestritten. Natürlich nennt Herr Jupp keine Quellen, wo man diese Versuche nachlesen könnte, oder gibt es vielleicht keine belastbaren Studien dazu?

Das hat mich natürlich mal interessiert und ich hab gegoogelt und tatsächlich einen (!) einzigen Eintrag hierzu gefunden. In einem anthroposophischen Netzwerk, was, meiner Meinung nach, von wissenschaftlicher Seite aus vernachlässigt werden kann.

Ich könnte hier jetzt einen langen Sermon ablassen, warum der Mond keinen Einfluss auf Holz oder Pflanzen oder unsere Zehennägel hat, aber das haben Dr. Florian Freistetter (Astronom) und Dr. Florian Aigner (Physiker) bereits getan, nämlich HIER  HIER und HIER

Vielleicht liest sich Herr Jupp das mal durch und merkt, dass er mit seiner Meinung etwas außerhalb des naturwissenschaftlichen Kontextes steht.

Wann der zweite Artikel erschienen ist, weiß ich nicht, er trägt den Zeitstempel „1458557414“ und den schönen Titel „Bärlauch wirkt entschlackend und bringt den Organismus auf Trab

Ihr könnt euch schon denken, welcher Blödsinn auf uns zukommt, deswegen ein Tusch – TATAAAA – und hier ist es: Das Märchen von der Entschlackung. Herr Jupp schreibt nämlich: Das Kraut vom Bärlauch wirkt blutreinigend. Dies wussten schon die Bären, wenn sie nach einem langen Winterschlaf erwachten. Sie fraßen dann tagelang von den Blättern. Das wirkte dann wie eine richtige Entschlackungskur. Das machte die Bären wieder richtig fit. Daher kommt auch vermutlich der Name Bärlauch. […] Auch für die Menschen wäre eine Frühjahrskur mit Bärlauch angesagt, Sie bringt den geschwächten und frühjahrsmüden Organismus wieder ganz schön auf Trab.

Der Glaube an die „Entschlackung“ des Körpers ist ein lästiges Überbleibsel der sogenannten „Säftelehre“, die vor dem Verständnis der Physiologie vorherrschte. Seitdem wissen wir allerdings, dass unser Körper von Hause aus ein recht gutes Entgiftungssystem hat, nämlich die Leber und die Nieren und die funktionieren ganz ohne Bärlauch. Dass Bärlauch in der Phytotherapie durchaus eine gewisse Wirkung auf den Organismus hat, ist ja unbestritten.

Vor allem bei Magen- und Darmproblemen soll er sehr gut helfen, aber „Blutreinigung“ oder „Entschlackung“ sind doch Vorstellungen aus dem vor- vorletzten Jahrhundert. Im Artikel zu Ausleitenden Verfahren in der Wikipedia lesen wir im Abschnitt Wissenschaftliche Bewertung folgendes: Äußere Gifte (Amalgam, Umweltgifte usw.) oder akkumulierte Stoffwechselprodukte (z. B. Harnsäure bei Gicht oder Glucose bei Diabetes mellitus) sind nach Auffassung der wissenschaftlichen Medizin als Krankheitsursachen nur anzunehmen, wenn die angeschuldigte Substanz im Körper in schädlicher Menge und/oder am falschen Ort laborchemisch oder histopathisch nachgewiesen ist und überdies die Symptome und die Latenzzeit zu der Substanz passen. Selbst in solchen seltenen Fällen sind die alternativmedizinischen Ausleitungsverfahren nach wissenschaftlichen Kriterien zur Therapie ungeeignet. Ein allgemein anerkannter Nachweis, dass der Körper in diesem Sinne therapeutisch ‚entgiftet‘ oder ‚entschlackt‘ werden müsse, liegt dabei nicht vor.

Ich denke, damit ist alles gesagt. Für eine tiefergehende Lektüre empfehle ich den Artikel von Prof. Dr. Edzard Ernst Colonic irrigation and the theory of autointoxication: A triumph of ignorance over science im Journal of Clinical Gastroenterology (24, 1997. S. 196-198).

Die reinen Gärtnertipps, die Herr Jupp gibt, sind ja wirklich brauchbar, aber seine esoterischen Ausflüge sollten doch bitte aufhören.