Globukalypse 2018

#Globukalypse, dieser Begriff wurde vor einiger Zeit von Dr. Christian Lübbers (genau, der HNO-Arzt, der einem Kind Globuli aus dem Gehörgang ziehen musste, nachdem die Eltern sie da reingestopft hatten) auf Twitter etabliert. Unter diesem Hashtag sammeln sich alle Kritiker der Homöopathie. Und in der letzten Zeit hat sich hier in dieser Angelegenheit einiges getan. Nachdem ich ja bereits seit zwei Jahren gegen Homöopathie und andere „Alternativmedizin“ (aka Schmarrn) anschreibe, freut mich das besonders. Halten wir doch mal eine kurze Rückschau auf die letzten Wochen, was ist alles passiert?

Artikel der ehemaligen Bundesministerin Kristina Schröder zur Homöopathie in der Welt
Kristina Schröder war von 2009 bis 2013 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und hat in der Zeitung „Welt“ einen ausführlichen Artikel veröffentlicht, in dem sie sich klar gegen die Homöopathie positionierte. Darin stellt sie fest, dass die Homöopathie keine größere Wirkung hat als der Placeboeffekt und umreißt das Problem treffend: Das Problem ist, dass sich die Placebowirkung auch beim Besprechen von Warzen und beim Handauflegen einstellt. Beide Praktiken werden aber aus gutem Grund nicht von der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten finanziert. Die Homöopathie im Rahmen sogenannter Satzungsleistungen aber schon, während die Kosten für Brillen nur noch in besonders schweren Fällen erstattet werden.
Das Problem ist auch, dass es Homöopathen gibt, die für sich in Anspruch nehmen, auch schwere Leiden wie Bluthochdruck, Diabetes, gar Krebs ausschließlich homöopathische behandeln zu können. Wer darauf reinfällt (und sich aufgrund der Vorschrift, Homöopathika ausschließlich in Apotheken verkaufen zu dürfen, vielleicht auch noch in Sicherheit wiegt), gefährdet schlicht und ergreifend sein Leben.
Das größte Problem ist aber meines Erachtens, dass Homöopathie einen Einstieg in ein unaufgeklärtes Weltbild darstellt. Wer sagt, er glaube, dass Homöopathie wirkt, sagt damit implizit, dass er glaubt, dass grundlegende Annahmen unserer Physik und Chemie falsch sind.
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Edzard Ernst fordert Placebo-Aufklärung in Apotheken
Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin an der University of Exeter und Ikone der Homöopathiekritik, rief in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung die Apotheker dazu auf, ihre Kunden darüber aufzuklären, dass Homöopathika keine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirkung haben. Zwar hätten die Kunden das Recht, sich das zu kaufen, was sie wollen. Apotheker müssten aber ehrlich und verständlich die Evidenz zur Homöopathie erläutern und auf Präparate mit erwiesener Wirkung hinweisen. ‚Tut er das in angemessener Weise, so ist es wahrscheinlich, dass viele Kunden seinem Rat folgend kein Homöopathikum kaufen‘, glaubt der Wissenschaftler. Ähnlich sehe es der Präsident der Australischen Pharmazeutischen Gesellschaft, der folgendermaßen zitiert wird: ‚Es ist enttäuschend, dass einige Apother immer noch Homöopathika anbieten, was nicht dem ethischen Kodex entspricht.‘ Auch der Berufsverband der Allgemeinmediziner in Australien empfahl demnach seinen Mitgliedern, keine Homöopathika mehr zu verordnen. (2)

Der National Health Service in England stellt die Erstattung für Homöopathika ein
Darüber bin ich ja bereits in meinem Artikel „Rule Britannia – Der NHS England stellt die Finanzierung von Homöopathie ein“ eingegangen.

Studie der Universität Mainz: Anhänger von Verschwörungstheorien neigen der Alternativmedizin zu
Wie Pia Lamberty und Roland Imhoff von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz nun in einer Studie belegen, profitiert die sogenannte Alternativmedizin vom Glauben an Verschwörungstheorien. ‚Wir haben einen eindeutigen Zusammenhang gefunden‘, sagt Pia Lamberty von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU). ‚Je stärker die Verschwörungsmentalität einer Person ausgeprägt ist, desto mehr befürwortet diese Person alternative Verfahren und umso mehr lehnt sie konventionelle Heilmethoden wie Impfungen oder Antibiotika ab.‘ Dies sollte bei der medizinischen Prävention und bei Interventionsprogrammen im Gesundheitswesen berücksichtigt werden. […] Pia Lamberty und Prof. Dr. Roland Imhoff vom Psychologischen Institut der JGU haben vor diesem Hintergrund mehrere Studien durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität und der Bevorzugung alternativer Heilmethoden zu untersuchen. Sie befragten ihre Probanden – 392 Studienteilnehmer in Deutschland und 204 in den USA – über die Nutzung von insgesamt 37 verschiedenen Verfahren von Aromatherapie und Bachblüten über Hypnose und Yoga bis zu Antibiotika und Bluttransfusion. Die Teilnehmer sollten beispielsweise angeben, wie häufig sie die jeweilige Therapie nutzen und wie effektiv sie ihrer Meinung nach ist. „In Deutschland fanden wir einen eindeutigen, unglaublich starken Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität und Befürwortung alternativer Methoden“, so Lamberty. In den USA besteht ebenfalls eine Korrelation, allerdings nicht so stark ausgeprägt. […] Zwei weitere Studien untermauerten den Befund und zeigten zudem, dass die psychologische Brücke zwischen einer Verschwörungsmentalität als einer politischen Haltung und der Bevorzugung von Alternativmedizin in einem Misstrauen gegenüber Macht begründet liegt. „Alles, was mit Macht in Verbindung gebracht wird, wie zum Beispiel die Pharmaindustrie, wird von Verschwörungstheoretikern sehr skeptisch beurteilt“, erklärt Lamberty. In einer der Studien sollten die Teilnehmer über die Zulassung eines fiktiven pflanzlichen Medikaments gegen Ängste, Gastritis und leichte Depressionen entscheiden. Personen mit stark ausgeprägter Verschwörungsmentalität bewerteten das Medikament HTP 530 als positiver und wirksamer, wenn es von einer als machtlos geltenden Patientengruppe entwickelt wurde als von einem Pharmakonsortium. (3)

Komplementärmedizin verkürzt die Überlebenserwartung von Krebspatienten
Wie die „ÄrzteZeitung Online“ berichtet, wurde in den USA eine Studie durchgeführt, die die Verdoppelung des Mortalitätsrisikos in direkten Zusammenhang mit der Nutzung von sog. „Komplementärmedizin“ bringt. Dies geht darauf zurück, dass die Nutzer von Komplementärmedizin häufiger konventionelle Therapien wie Chemotherapie oder Bestrahlungen ablehnten. (4)

Die erste Apotheke wird homöopathiefrei
Apothekerin Iris Hundertmark von der Bahnhof-Apotheke in Weilheim verbannt Homöopathika aus ihren Regalen, obschon sie diese bisher auch angeboten hatte. Der Wendepunkt kam vor rund zwei Wochen im Notdienst. ‚Ein Kunde hat mich wegen Arnika-Globuli rausgeklingelt‘, erzählt sie. Der Mann hatte nach einem Haushaltsunfall Verbrennungen. Die Apothekerin riet ihm, ins Krankenhaus zu fahren. Das wollte der Mann nicht, er vertraute auf die Kraft der Arnika. ‚Ich habe ihm in einer gefährlichen Situation etwas gegeben, das ihm überhaupt nicht hilft‘, erklärt Hundertmark. Diesen Zweifeln möchte sie sich nicht länger aussetzen. (5)
Aus einem Interview: Was machen Sie, wenn Kunden kommen, die nach homöopathischen Mitteln fragen?
Hundertmark: Ich frage sie, was sie haben – das ist sowieso meine Pflicht. Dann schlage ich ihnen schulmedizinische Medikamente vor und merke an, dass wir die homöopathischen Mittel nicht vorrätig haben. Wenn jemand trotzdem unbedingt eine homöopathische Arznei haben möchte, bestelle ich die. Ich schreibe niemandem vor, was er tun oder lassen soll. Ich sage den Kunden dann, dass es einen Tag oder länger dauern kann, bis die Mittel ankommen. Oder sie müssen es eben bei anderen Kollegen versuchen, die das Mittel vielleicht in der Schublade haben. Ich kann dem Kunden nur sagen: Ich bestelle Ihnen das Medikament, wenn Sie es wollen, aber Sie sollten wissen, dass es keine nachgewiesene Wirksamkeit hat. Dann hat er die Wahl. Er kann sich etwas anderes empfehlen lassen oder er sagt: „Das weiß ich, aber mir hilft das trotzdem.“ Das ist dann okay für mich, aber ich will wenigstens auf den Stand der Wissenschaft hingewiesen haben.
Ist das nicht schlecht fürs Geschäft?
Hundertmark: Ich riskiere Verluste. Aber meine Kunden wissen, dass sie von mir Ehrlichkeit erwarten können. Das ist mir wichtig. (6)
Diese Maßnahme wird übrigens vom gesamten Team der Apotheke mitgetragen. Mir persönlich nötigt dieses Verhalten, Ehrlichkeit über Profit zu stellen, den allergrößten Respekt ab. Ich hoffe, dass das Beispiel von Frau Hundertmark unter den Apothekerinnen und Apothekern Schule macht!

Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins Spiegel beschäftigt sich mit Homöopathie und anderem Mumpitz
Der Spiegel Nr. 34/2018 beschäftigt sich unter dem schönen Titel „Hokuspokus – Geld weg!“, in dem die INH-Mitglieder Susanne Aust, Natalie Grams und Bettina Frank zu Wort kommen. Ein hervorragender Artikel, der leider hinter der PayWall steckt, ebenso wie der Ergänzungsartikel „Wohin das Qi fließt – Wie die Volkshochschulen mit dubiosen Gesundheitskursen Volksverdummung betreiben“. Also, auf zum Kiosk, auf zur Online-Anmeldung! Es lohnt sich!
Frei lesbar ist ein hervorragender Artikel von Edzard Ernst, in dem er die häufigsten alternativmedizinischen Methoden auf den Prüfstand stellt und bewertet.

Titelgeschichte des Schweizer Magazins Doppelpunkt mit Natalie Grams
Wie ich gerade mitbekommen habe, hat auch das Magazin „Doppelpunkt“ aus der Schweiz eine große Titelgeschichte mit der Ärztin und Ex-Homöopathin Natalie Grams am Start. Ihr könnt den Artikel online lesen; dazu müsst ihr euch nur kostenfrei anmelden. Mache ich auch gleich!

Fazit
Wie ihr seht: die Globukalypse ist nicht aufzuhalten und die Globulisten müssen sich wirklich warm anziehen! So kann es weiter gehen! Tally Ho!

 

(1) https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus180851074/Kristina-Schroeder-CDU-Homoeopathie-ist-Mumpitz.html. Abgerufen am 19.08.2018
(2) https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?newsletter=2018_08_10%2FNL&id=78016. Abgerufen am 19.08.2018.
(3) http://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/5800_DEU_HTML.php. Abgerufen am 19.08.2018
(4) https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/krebs/article/969404/schlechtere-ueberlebenschancen-komplementaermedizin-krebskranke-toedlich.html?sh=2&h=396589715. Abgerufen am 19.08.2018
(5) https://www.apotheke-adhoc.de//nachrichten/detail/apothekenpraxis/nie-wieder-globuli/. Abgerufen am 19.08.2018
(6) https://www.watson.de/wissen/interview/742620624-eine-apothekerin-in. Abgerufen am 19.08.2018